Samstag, 29. Januar 2011

Was bedeutet „Man soll sich nicht schuldig machen“?

Harald Welzer wählt in einem Interview die Formulierung „Man soll sich nicht schuldig machen“. Aber was bedeutet das? Ein paar Gedanken zum Thema Schuld.
Bei Wikipedia steht:

"Der Zustand der Schuld entsteht, wenn jemand für einen Verstoß gegenüber einer sittlichen, ethisch-moralischen oder gesetzlichen Wertvorstellung verantwortlich ist. Beispielsweise kann dies ein bewusster Verstoß gegen ein Verbot sein (zum Beispiel Diebstahl) oder auch der fahrlässige Verstoß gegen ein Verbot (zum Beispiel Fahrlässige Tötung). In der Regel wird davon ausgegangen, dass nur eine einzelne Person für ihre Schuld einzustehen hat und ihr die Schuld anderer nicht zurechenbar ist. So wird sowohl das Einstehenmüssen einer Gruppe für die Schuld anderer (Kollektivschuld, Sippenhaft) also auch die Vererbbarkeit von Schuld (Erbsünde) häufig abgelehnt. Schuld ist demnach höchstpersönlich."

Wenn wir uns unser Leben in der globalisierten Wirtschaftswelt anschauen, wird es sehr schwierig, den eigenen Anteil am Zustand der Welt zu erkennen. Bin ich schuldig, wenn ich ein öffentliches Verkehrsmittel nutze, das mit einem Brennstoff angetrieben wird, der hier oder woanders die Umwelt zerstört und Menschen womöglich um ihre Lebensgrundlage bringt? Oder bin ich schuldig, wenn ich mich so sehr in NGOs für eine „nachhaltigere“ Welt einsetze, dass ich nur noch Aushilfejobs bei Firmen ausüben kann, die wiederum hier oder in anderen Teilen der Welt für großes Elend sorgen?

Ich denke, dass wir hier mit dem Begriff der Schuld nicht weiterkommen.

Der kategorische Imperativ bei Wikipedia:

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Nach meiner Interpretation geht es dabei um Eigenverantwortung und um selber denken. Und nicht um Schuld.

Siehe auch:
Warum ich kein Gutmensch sein will
Nenne mich bei meinem wahren Namen
Nachhaltig Leben im Selbstversuch

Das Interview:
“Wenn ich diesen Dreck nicht mehr esse, ist das kein Verzicht”
 

Kommentare (13)  

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    schrieb am 29.01.2011 um 09:48
    Hallo,

    es sind nur "Worte".
    "Schuld" ist einfach negativ behaftet. "Eigenverantwortung" geht doch eher in die positive Richtung. Ich würde es aber als "Mitverantwortung" bezeichnen.

    Man muss sich einfach bewusst sein, dass viele Handlungen auch Auswirkungen haben. Die Frage ist wohl, wie "schwerwiegend" diese sind, bzw. ob sich diese positiv oder negativ auswirken.
    Wenn ich ein Öffi verwende, um zur Arbeit kommen zu können, ist es wohl besser, als mit einem großen SUV dahin zu fahren. Falls ich die Möglichkeit habe, das Bike zu nehmen, fahre ich eben mit dem Fahrrad. Dass ich das Bike benutzt habe, ist für mich persönlich noch keine positive Handlung, sondern nur die Verhinderung einer negativen, weil ich keine Öffis (oder das Auto) verwendet habe.
    Wenn ich jedoch einen Bekannten überzeuge, der bisher ständig mit seinem SUV in die Arbeit fuhr, doch mal die Öffis oder das Bike zu nehmen, ist dies eine positive Handlung ... meine "Mitverantwortung" hat sich positiv ausgewirkt. Dann bin ich natürlich gerne daran "schuld", dass der Bekannte, ebenso das Bike benutzt ;-)

    Man kann also auch an Positivem schuld sein ;-)

    Wie heißt es so schön im Buddhismus:
    "Tue den Menschen nur Gutes. Aber da dies schon schwer genug ist, versuche wenigstens, den Menschen nichts Schlechtes zu tun." ;-)

    Deshalb bemühe ich mich, in all meinen täglichen Handlungen, meine negative Mitverantwortung so gering als möglich zu halten. Sich ihr ganz zu entziehen, ist unmöglich.
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    schrieb am 29.01.2011 um 10:40
    "Wenn ich jedoch einen Bekannten überzeuge, der bisher ständig mit seinem SUV in die Arbeit fuhr, doch mal die Öffis oder das Bike zu nehmen, ist dies eine positive Handlung ... meine "Mitverantwortung" hat sich positiv ausgewirkt. Dann bin ich natürlich gerne daran "schuld", dass der Bekannte, ebenso das Bike benutzt ;-)

    Man kann also auch an Positivem schuld sein ;-) "

    Eine sehr symphatische Sicht der Dinge.
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    schrieb am 29.01.2011 um 10:25
    Ist ein (welt-)gesellschaftliches Problem. Sich kapitalistisch entwickelnde Enklaven des Verantwortlichseins bestimmen das individuelle (Un-)Rechtsbewusstsein. Es ist der Warensinn!

    Wie müssten Behauptungsbedingungen der in globalen Handlungsketten miteinander verbundenen Menschen aussehen, was könnte entsprechend globale Rechtferigungsbeziehungen (global miteinander verbundene Verantwortungsbereiche) herstellen, die allen Beteiligten das zu tun erlaubten, was sie einander und den folgenden Generationen schuldig sind? Was uns erlaubt, uns einander zu einer der menschlichen Art gerechten Haltung zu nötigen? (Nämlich für das eigene Tun nachher auch gerade stehen zu können).

    Siehe auch: http://hhirschel.wordpress.com/2008/11/23/sind-wir-des-warensinns/

    Gruß vom Topisten
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    schrieb am 29.01.2011 um 10:47
    fuer mich persoenlich ist schuld immer etwas negatives.
    wenn man die begriffe beliebig umdeutet finde ich das verwirrend.
    in Bezug auf das Kaufverhalten sehe ich eine art Mittaeterschaft. Man macht halt mit hat den Stein aber nicht ins rollen gebracht.
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    schrieb am 29.01.2011 um 10:54
    Stimmt auch wieder :-). Aber das zeigt, dass das Hantieren mit Begriffen, die mit so furchtbar schwerer, und auch schwer zu erfassender Bedeutung beladen sind, seine Nachteile hat. Vielleicht ist es besser zu fragen: Was macht verantwortlich? Was erweitert Verantwortlichkeit? Was hilft Verantwortung für eine Ausdehnung der Verantwortlichkeit wahrzunehmen und ihr gerecht zu werden?
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    schrieb am 29.01.2011 um 10:59
    vielleicht gute Vorbilder,die sich nicht im stillen Kaemmerlein verstecken.
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    schrieb am 29.01.2011 um 12:26
    Da halte ich es mit meinem geistigen Vorbild Marx, der bemerkte, dass der Mensch das einzige Tier ist, das sich nicht nur in der Gemeinschaft vereinzeln sondern auch in der Vereinzelung vergemeinschaften kann :-).
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    schrieb am 29.01.2011 um 14:27
    der Gedanke das der Mensch auch Tier ist gefaellt mir.Ich mag Tiere.

    Nachtrag: aber was genau "in der vereinzelung vergemeinschaften" bedeutet wuerde ich gerne von dir aufgedroeselt bekommen.
    gruesse
    silky
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    schrieb am 30.01.2011 um 11:04
    Man kann im stillen Kämmerlein an lauter Dingen arbeiten, die wirkliche Gemeinschaftlichkeit herstellen, vor.- und nachbereiten usw. Sich schuldíg machen geht natürlich auch in der Vereinzelung wie die so genannten Schreibtischtäter zeigen.
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    schrieb am 30.01.2011 um 11:23
    Gut wenn die Dinge nicht in der Schublade verschwinden und nach draussen ihren Weg finden ist das natuerlich was anderes. Danke Topist.
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    schrieb am 30.01.2011 um 12:00
    "Gut wenn die Dinge (...) nach draussen ihren Weg finden ..."

    Ist ja genauso wichtig, wie dass die Dinge von draußen ihren Weg nach innen ins stille Kämmerchen finden. ;-)
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    schrieb am 30.01.2011 um 11:50
    @Topist
    nettes Zitat: "... das einzige Tier ist, das sich nicht nur in der Gemeinschaft vereinzeln sondern auch in der Vereinzelung vergemeinschaften kann."

    Marx kannte das Web2.0 ja noch nicht ... da vereinzeln die Menschen gemeinschaftlich, um sich gemeinsam-vereinzelt zu vergemeinschaften ;-)
    ... viel ausgeprägter (einfacher?) als zur damaligen Zeit. Aber auch mit vielen neuen Vorteilen ;-)
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    schrieb am 30.01.2011 um 12:04
    Das gemeinschaftliche Vereinzeln gibts dabei natürlich auch, etwa durch eine Überschätzung individueller "Schuld" und entsprechend individualistischer Wege, sie zu überwinden ;-)
 

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